Mechanismen der Überreaktion des Immunsystems bei Covid-19 entschlüsselt
Forschende vom Universitätsspital und der ETH Lausanne identifizieren die cGAS-STING-Signalkaskade als Triebkraft der heftigen Interferon-Reaktionen bei Covid-19.
Als Antwort auf eine virale Infektion bildet unser Körper Botenstoffe, unter anderem die sogenannten Interferone. An Covid-19 erkrankte Personen, die diese erste Abwehr nicht schnell genug aufbauen können, entwickeln oft einen schweren Krankheitsverlauf mit Lungenkomplikationen als Folge hoher Interferonlevels. Dies führt zu einer zerstörerischen Überreaktion des Immunsystems. Die kürzlich veröffentlichten Erkenntnisse der NFP 78 Forschungsgruppe um Michel Gilliet und Andrea Ablasser vom Universitätsspital und der ETH Lausanne erklären dieses Phänomen und eröffnen neue therapeutische Perspektiven.
Die Forschenden untersuchten Hautproben von Covid-19 erkrankten Personen mit einem schweren Krankheitsverlauf, welcher sich in Form von Hautläsionen manifestierte. Auffallend waren dabei nicht nur die erhöhten Werte von Interferonen, sondern auch eine erhöhte Anzahl von Makrophagen und deren assoziierten Gene. Diese Resultate decken sich mit Studien von Lungengeweben, was einen analogen Krankheitsmechanismus bei verschiedenen Organen nahelegt.
Das Auftreten von freiem Erbgut in der Zellflüssigkeit, der DNA, die sich normalerweise im Zellkern befindet, brachte die Forschenden auf die cGAS-STING Signalkaskade. Diese wird von freier DNA im Zytosol ausgelöst und führt über zur Produktion von Interferonen und anderen Zytokinen. In vitro Versuche mit der Zugabe eines STING-Inhibitors senkten die Interferon-Konzentration deutlich. Weitere Versuche offenbarten, dass Covid-19 zu mitochondrialer Dysfunktion in Endothelzellen führt, welche ebenfalls freischwimmende DNA zur Folge hat und so die cGAS-STING Kaskade auslöst. Neben der Produktion von Interferonen führt die Kaskade auch zum programmierten Zelltod, was wiederum cGAS-STING Aktivitäten in den umliegenden Makrophagen auslöst. Untersuchungen von Lungengewebe verstorbener Patientinnen zeigten, dass bei schnell fortschreitender Krankheit die cGAS-STING Aktivität auch in der Lunge hoch ist und so auch dort Organschäden verursachen könnte.
Im Mausmodell zeigten STING Inhibitoren sowohl bei der prophylaktischen als auch bei der therapeutischen Verabreichung eine hohe Wirkung. Während zwar die Virus-Vermehrung unverändert blieb, wurde eine Reduktion der Entzündungsreaktion und weniger Absterben der Zellen beobachtet. Der Inhibitor könnte eine schlimme Erkrankung vorbeugen und sogar Todesfälle verhindern.
Die Experimente deckten einen wichtigen Mechanismus der angeborenen Immunopathogenität in Reaktion auf SARS-CoV-2 auf. Eine Infektion kann zur intrinsischen Aktivierung von Endothelzellen führen, welche folglich Interferone produzieren und danach den Zelltod einleiten. Dies aktiviert Makrophagen, welche ebenfalls die Interferonproduktion einleiten. Die cGAS-STING Signalkaskade stellt somit ein vielversprechendes Ziel zur Vorbeugung und Behandlung schwerer Krankheitsverläufe dar. Die Studie ebnet den Weg für neue Entwicklungen von Therapien, die spezifisch diesen pathologischen Entzündungsprozess bei schweren Formen der Krankheit blockieren.